Die Schweiz ist ein öV-Land und steht seit Jahrhunderten im Mittelpunkt der Nord-Süd-Achse Europas. Anhand von Verspätungsdaten der SBB soll die Problematik von sogenannten Knotenbahnhöfen, die eine direkte Nord-Süd-Verbindung besitzen, untersucht werden.
Im Rahmen der Veranstaltung "übung Open Data" an der Universität Bern von Herr Dr. Matthias Stürmer setzen wir uns mit Visualisierungen von OpenData auseinander. Wir haben uns für die öffentlichen Daten der Open-Data-Plattform öV Schweiz entschieden.
In den Medien ist immer wieder zu lesen, die SBB kämpfe mit Verspätungen etc., auch verschiedene Open Data Apps / Visualisierungen befassen sich mit der Verspätungsthematik des öVs. Anhand der Verspätungsdaten wollen wir einen etwas anderen Aspekt dieser Thematik beleuchten und die Verspätungs-Problematik des Knotenbahnhofs Spiez untersuchen. Der Bahnhof Arth-Goldau wird als Vergleich verwendet um allfällige Gründe zu erkennen, was optimiert werden könnte. Die Kriterien für den Vergleichsbahnhof, hier Arth-Goldau, sind: geografische Lage, ähnliche Grösse des Bahnhofs und eine direkte Nord-Süd-Verbindung.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir uns bei den Daten nur auf die Verspätungsdaten der SBB konzentrieren und nur Personenzügen berücksichtigen, der ganze Güterverkehr wurde nicht analysiert. Uns ist bewusst, dass die Zugverbindungen der BLS oder anderer regionaler Bahnunternehmen einen grossen Einfluss auf unseren ausgewählten Bahnhöfen haben. In unserer Analyse stehen jedoch die jeweiligen Hauptachsen der Knotenpunkte im Vordergrund, als Beispiel: Die BLS betreibt keine direkte Zugverbindung von Spiez nach Visp. Somit haben wir uns entschieden nur die Zugverbindungen der SBB zu berücksichtigen. Bei unserer Visualisierung haben wir festgelegt, dass eine Verbindung, die vorzeitig, pünktlich oder mit weniger als 3 Minuten Verspätung ankommt, pünktlich ist. Alle Verbindungen mit über 3 Minuten Verspätung gelten als verspätet. Mit dieser Ausgangslage haben wir uns ans Werk gemacht und eine geeignete Web-Applikation entwickelt.
In der Visualisierung unserer App wurden die IST-Daten der Open-Data-Plattform öV Schweiz verwendet. Diese Daten liegen in einem CSV-File bereit, in welchem jeweils ein einzelner Tag der schweizweiten Verbindungen aufgelistet ist. Ein Datensatz beinhaltet immer die Haltestelle, die Linien-ID, die Zugart und -nummer (z.B. IC1), die Ab- und Ankunftszeiten nach Zeitplan und die effektiven Ab- und Ankunftszeiten.
Für unsere Applikation mussten die Daten zuerst in eine geeignete Form gebracht werden. Dazu wurden aus dem gesamten CSV-File, welches rund 1'050'000 Datensätze beinhaltet, das Subset für Spiez und Arth-Goldau (ca. 200 Datensätze) gezogen. Dies wurde mit einer einfachen Javascript-Funktion gemacht. Da der Datensatz nur die Haltestelle beinhaltet, jedoch aber die Herkunft des Zuges nicht abgebildet ist, mussten wir dieses Mapping von Hand machen. Leider werden die Linien-IDs pro gefahrener Zug vergeben und nicht immer für die selbe Strecke (z.B. Thun-Spiez).
Die Daten wurden schliesslich als JSON-Files der Applikation hinzugefügt und können so schnell ausgelesen und verarbeitet werden.
Auf der linken Seite ist der Bahnhof Spiez abgebildet, auf der rechten Seite der Bahnhof Arth-Goldau. Jeweils in der Mitte der Abbildung befinden sich unsere erwähnten Knotenbahnhöfe, diese sind über die Verbindungslinien mit den grösseren Ortschaften (jeweils 3), welche eine direkte Zugverbindung zu Spiez oder Arth-Goldau haben, verbunden.
Die Farbe der Verbindungslinie zeigt an, wieviel Züge aller ankommenden Züge Verspätung haben am Ankunftsbahnhof (in Prozent % ausgedrückt). Wenn die Farbe Grün ist, haben unter 3% aller ankommenden Züge Verspätung, die Farbe Orange bedeutet unter 10% aller Züge haben Verspätung, Rot steht für über 10% der Züge haben Verspätungen. Die Breite der Linien zeigt die relative Anzahl Züge zur Gesamtmenge an, viele Züge haben somit eine breitere Linie, weniger Züge eine dünnere Linie.
Fährt man mit seinem Cursor über die Verbindungslinien der Ortschaften erscheint ein Tooltip welches Ihnen die absolute Anzahl Züge anzeigt, sowie die relative Anzahl Verspätungen dieser Verbindung, in Prozent ausgedrückt.
Klicken Sie auf die Verbindungslinie öffnet sich ein Pop-Up Fenster mit einem Kreisdiagramm, dass Ihnen detailliertere Informationen zu den Verspätungen anzeigt. Sie sehen anhand des Kreisdiagramms, welcher Zug Typ (ICE, IC, EC, IR) die Verspätungen hatte. Auch hier, wenn Sie über das Kreisdiagramm mit Ihrem Cursor fahren, erscheint ein Tooltip mit den absoluten Zahlen.
Anhand der Fragen, die wir uns gestellt haben und Schwierigkeiten die während des Entwicklungsprozesses aufgetaucht sind, zeigen wir hier unsere Vorgehensweise auf:
Auf den ersten Blick ist mittels Farben erkenntlich, dass der Bahnhof Spiez mehr verspätete ankommende Züge aufweist als der Bahnhof Arth-Goldau (mehr rote Verbindungslinien als Grüne). In relativen Zahlen heisst das: 12.6 % aller ankommenden Züge in Spiez haben Verspätung, hingegen weist Arth-Goldau eine Verspätungsrate von 6.0% auf, eine Differenz von 6.6%. Nun wie kommt denn diese deutlich höhere Verspätungsrate am Bahnhof Spiez zu Stande? Im Folgenden versuchen wir anhand der Visualisierung einige mögliche Antworten auf diese Frage zu finden:
Anhand der Breite der Verbindungslinien ist festzustellen, dass der Bahnhof Spiez deutlich mehr ankommende Züge hat als Arth-Goldau. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies: Der Bahnhof Spiez hat im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 29.05.2018 15'566 ankommende Züge, hingegen hat der Bahnhof Arth-Goldau lediglich 13'075 Züge, eine absolute Differenz von 2491 Züge. Auf einen Tag ausgerechnet sind dies ungefähr 16.7 Züge pro Tag mehr, welche in Spiez ankommen. Diese grosse Anzahl Zügen wirkt sich dementsprechend auf die Verbindungsachsen aus. Bei den vorgestellten Zahlen handelt es sich lediglich um die Verbindungen der SBB. Für die BLS ist der Bahnhof Spiez jedoch ein wichtiger und zentraler Bahnhof, wenn sämtliche Verbindungen der BLS zusätzlich berücksichtigt werden, ist klar, dass dieser Knotenbahnhof eine sehr grosse Anzahl an Verbindungen resp. Zügen bewerkstelligen muss.
Der nächste Aspekt unserer Fragestellung ist der Vergleich zwischen den beiden Nord-Süd-Achsen resp. den NEAT-Tunnels, der Lötschberg-Basistunnel und der Gotthard-Basistunnel. Auch hier ist auf den ersten Blick erkennbar, dass die Verbindung zwischen Visp - Spiez mehr Verspätung (17.9%) aufweist, als die Verbindung zwischen Bellinzona - Arth-Goldau (6.6%), eine Differenz von 11.3%. Nun die Frage, verkehren dann mehr Züge durch den Lötschberg als durch den Gotthard, anhand der absoluten Zahlen, Lötschberg: 3706 Zügen gegenüber den Gotthard: 4945 Züge, können wir dies jedoch verneinen. Woran liegt es dann? Wenn man bei der BLS nachforscht entdeckt man schnell das Thema "Ausbau des Lötschberg-Basistunnel". An dieser Stelle wird die BLS zitiert: "Der Lötschberg-Basistunnel ist heute bis an die Grenze ausgelastet. Grund dafür ist einerseits das rasante Wachstum des Personen- und Güterverkehrs, anderseits die begrenzte Kapazität aufgrund des langen Einspurabschnittes. Die lange einspurige Strecke von 21 Kilometern verunmöglicht eine Ausweitung des Personen- und Güterverkehrs, engt den Spielraum in der Fahrplangestaltung stark ein und führt zu hohen Betriebskosten. Ein Doppelspurausbau ist deshalb zwingend nötig." (BLS NEAT)
Das Thema wird auch in der Politik und der Wirtschaft ausführlich diskutiert, hier einige Beispiele aus der Medienmitteilung der BLS vom 23. Juni 2017:
Diese Aussagen sollen die Wichtigkeit dieses Thema hervorheben. Der Ausbau des Lötschberg-Basistunnel wird zur Stabilität der wachsenden Anforderungen an das Schienennetz, wie auch des öVs als Ganzes beitragen.
Zusammenfassend können wir unsere zu Beginn gestellte Frage: "Mögliche Gründe für den "schlechteren" Bahnhof Spiez feststellen respektive welche Problematik weisen Knotenbahnhöfe auf?", wie folgt beantworten: Zum einen die grössere Anzahl an Zügen/Verbindungen scheinen eine Herausforderung für den Bahnhof Spiez darzustellen. Zweitens der Lötschberg-Basistunnel, welcher voll ausgelastet ist, hat einen grossen Anteil daran, dass Züge in Spiez verspätet sind.
Abschliessend sei gesagt, diese Visualisierung zeigt nur einen kleinen Teil der Problematik mit Knotenbahnhöfen und Nord-Süd-Achsen auf. Die Daten wurden vereinfacht und entsprechende Einschränkungen vorgenommen. Nichts desto trotz kann anhand öffentlich zugänglichen Daten aufgezeigt werden, wo verschiedene Problemzonen im öV-Netz vorhanden sind und mögliche Erkenntnisse daraus ableiten.
Diese Applikation wurde in Zusammenarbeit mit den Verspätungsdaten der Open Transport Data Platform erstellt.
Daten: Open-Data-Plattform öV Schweiz
Source Code: Github Repository